Mittwoch, 25. Februar 2015

Vergleich von drei Formen literarischen Erzählens aus dem gleichen Jahrzehnt

Drei bekannte Autoren derselben Epoche, aber nicht derselben literarischen Epoche. Drei bekannte Erzählungen. Drei ganz unterschiedliche Formen literarischen Erzählens. 

Gesucht werden 
I. Eigenarten des Erzählens, der jeweiligen Darstellung der literarischen Welt.
III. Unterschiede und Parallelen
III: Sprachliche Möglichkeiten, diese zu benennen und zu beschreiben. 


  1. Der erste Satz: Ein kalter oder ein heißer Beginn? Was wird erzählt?
  2. Irritationsgrad und -ursachen? Wie zugänglich wird vermittelt?
  3. Was erfahren wir über die Hauptfigur?
  4. Eigenart der jeweiligen Sprache: Klarheit, Syntax, Wortwahl, Schwierigkeitsgrad?
  5. Atmosphäre und Wirkung



Ich beginne meine Geschichte mit einem Erlebnisse der Zeit, wo ich etwa zehn bis elf Jahre alt war und in die Lateinschule unseres Städtchens ging.
Viel duftet mir da entgegen und rührt mich von innen mit Weh und mit wohligen Schauern an, dunkle Gassen und helle, Häuser und Türme, Uhrschläge und Menschengesichter, Stuben voll Wohnlichkeit und warmem Behagen, Stuben voll Geheimnis und tiefer Gespensterfurcht. Es riecht nach warmer Enge, nach Kaninchen und Dienstmägden, nach Hausmitteln und getrocknetem Obst. Zwei Welten liefen dort durcheinander, von zwei Polen her kamen Tag und Nacht.
Die eine Welt war das Vaterhaus, aber sie war sogar noch enger, sie umfaßte eigentlich nur meine Eltern. Diese Welt war mir großenteils wohlbekannt, sie hieß Mutter und Vater, sie hieß Liebe und Strenge, Vorbild und Schule. Zu dieser Welt gehörte milder Glanz, Klarheit und Sauberkeit, hier waren sanfte freundliche Reden, gewaschene Hände, reine Kleider, gute Sitten daheim. Hier wurde der Morgenchoral gesungen, hier wurde Weihnacht gefeiert. In dieser Welt gab es gerade Linien und Wege, die in die Zukunft führten, es gab Pflicht und Schuld, schlechtes Gewissen und Beichte, Verzeihung und gute Vorsätze, Liebe und Verehrung, Bibelwort und Weisheit. Zu dieser Welt mußte unsre Zukunft gehören, so mußte sie klar und reinlich, schön und geordnet sein.

Das erste Kapitel in Hermann Hesses ›Demian‹ (1919)



Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Er lag auf seinem panzerartig harten Rücken und sah, wenn er den Kopf ein wenig hob, seinen gewölbten, braunen, von bogenförmigen Versteifungen geteilten Bauch, auf dessen Höhe sich die Bettdecke, zum gänzlichen Niedergleiten bereit, kaum noch erhalten konnte. Seine vielen, im Vergleich zu seinem sonstigen Umfang kläglich dünnen Beine flimmerten ihm hilflos vor den Augen.
»Was ist mit mir geschehen?«, dachte er. Es war kein Traum. Sein Zimmer, ein richtiges, nur etwas zu kleines Menschenzimmer, lag ruhig zwischen den vier wohlbekannten Wänden. Über dem Tisch, auf dem eine auseinandergepackte Musterkollektion von Tuchwaren ausgebreitet war – Samsa war Reisender – hing das Bild, das er vor kurzem aus einer illustrierten Zeitschrift ausgeschnitten und in einem hübschen, vergoldeten Rahmen untergebracht hatte. Es stellte eine Dame dar, die mit einem Pelzhut und einer Pelzboa versehen, aufrecht dasaß und einen schweren Pelzmuff, in dem ihr ganzer Unterarm verschwunden war, dem Beschauer entgegenhob.
Gregors Blick richtete sich dann zum Fenster, und das trübe Wetter – man hörte Regentropfen auf das Fensterblech aufschlagen – machte ihn ganz melancholisch. »Wie wäre es, wenn ich noch ein wenig weiterschliefe und alle Narrheiten vergäße«, dachte er, aber das war gänzlich undurchführbar, denn er war gewöhnt, auf der rechten Seite zu schlafen, konnte sich aber in seinem gegenwärtigen Zustand nicht in diese Lage bringen. 

Der Beginn von Franz Kafkas ›Die Verwandlung‹ (1912/1915)

Beschreibung einer weiteren Figur

An einem freien Nachmittag — ich war wenig mehr als zehn Jahre alt — trieb ich mich mit zwei Knaben aus der Nachbarschaft herum. Da kam ein größerer dazu, ein kräftiger und roher Junge von etwa dreizehn Jahren, ein Volksschüler, der Sohn eines Schneiders. Sein Vater war ein Trinker und die ganze Familie stand in schlechtem Ruf. Franz Kromer war mir wohl bekannt, ich hatte Furcht vor ihm, und es gefiel mir nicht, als er jetzt zu uns stieß. Er hatte schon männliche Manieren und ahmte den Gang und die Redensarten der jungen Fabrikburschen nach. Unter seiner Anführung stiegen wir neben der Brücke ans Ufer hinab und verbargen uns vor der Welt unterm ersten Brückenbogen. Das schmale Ufer zwischen der gewölbten Brückenwand und dem träg fließenden Wasser bestand aus lauter Abfällen, aus Scherben und Gerümpel, wirren Bündeln von verrostetem Eisendraht und anderem Kehricht. Man fand dort zuweilen brauchbare Sachen; wir mußten unter Franz Kromers Führung die Strecke absuchen und ihm zeigen, was wir fanden. Dann steckte er es entweder zu sich oder warf es ins Wasser hinaus. Er hieß uns darauf achten, ob Sachen aus Blei, Messing oder Zinn darunter wären, die steckte er alle zu sich, auch einen alten Kamm aus Horn. Ich fühlte mich in seiner Gesellschaft sehr beklommen, nicht weil ich wußte, daß mein Vater mir diesen Umgang verbieten würde, wenn er davon wüßte, sondern aus Angst vor Franz selber. Ich war froh, daß er mich nahm und behandelte wie die andern. Er befahl, und wir gehorchten, es war, als sei das ein alter Brauch, obwohl ich das erstemal mit ihm zusammen war.
Schließlich setzten wir uns an den Boden. Franz spuckte ins Wasser und sah aus wie ein Mann; er spuckte durch eine Zahnlücke und traf, wohin er wollte. Es begann ein Gespräch, und die Knaben kamen ins Rühmen und Großtun mit allerlei Schülerheldentaten und bösen Streichen. Ich schwieg und fürchtete doch, gerade durch mein Schweigen aufzufallen und den Zorn des Kromer auf mich zu lenken. Meine beiden Kameraden waren von Anfang an von mir abgerückt und hatten sich zu ihm bekannt, ich war ein Fremdling unter ihnen und fühlte, daß meine Kleidung und Art für sie herausfordernd sei. Als Lateinschüler und Herrensöhnchen konnte Franz mich unmöglich lieben, und die beiden andern, das fühlte ich wohl, würden mich, sobald es darauf ankäme, verleugnen und im Stich lassen.


Aber der Prokurist hatte sich schon bei den ersten Worten Gregors abgewendet, und nur über die zuckende Schulter hinweg sah er mit aufgeworfenen Lippen nach Gregor zurück. Und während Gregors Rede stand er keinen Augenblick still, sondern verzog sich, ohne Gregor aus den Augen zu lassen, gegen die Tür, aber ganz allmählich, als bestehe ein geheimes Verbot, das Zimmer zu verlassen. Schon war er im Vorzimmer, und nach der plötzlichen Bewegung, mit der er zum letztenmal den Fuß aus dem Wohnzimmer zog, hätte man glauben können, er habe sich soeben die Sohle verbrannt. Im Vorzimmer aber streckte er die rechte Hand weit von sich zur Treppe hin, als warte dort auf ihn eine geradezu überirdische Erlösung.

Der Tod in Venedig (1911/12)



Eine schöne Einführung aus einer gewissen Übersicht heraus finden Sie in dieser Rezension und ein bisschen ausführlicher ist diese Übersicht.

Eine kritische Nachlese aus dem Jahr 2012 aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) finden Sie hier.




Außerdem: ein kleiner Ausschnitt aus einer bekannten Verfilmung von Luchino Visconti (1971), in der die Musik Gustav Mahlers eingesetzt wurde, einem der historischen Vorbilder der Hauptfigur Gustav von Aschenbach (nebst dem Opernkomponisten Richard Wagner).




Bild aus einer Theaterproduktion, die seit zwei Jahren in der Berliner Schaubühne läuft 
meine Rezension dazu

Freitag, 9. Januar 2015

Charlie Hebdo, die PEGIDA-Bewegung und die Debatte über Muslime in Europa




Die deutschtürkische Journalistin und Netzaktivistin Kübra Gümüsay schreibt auf ihrem lesenswerten Blog ›Ein Fremdwörterbuch‹ über Themen, die im Zusammenhang mit Migration und Multikulturalität stehen. Sie ist 1988 in Hamburg geboren und lebt seit 2012 in London.





Artikel von SPIEGEL-Online-Redaktor Jakob Augstein

Artikel von Constantin Seibt (Tagesanzeiger)

Reaktionen auf die Haltung des Tagesanzeigers

Interview mit Salman Rushdie (Weltwoche, ca. 2006)



Montag, 5. Januar 2015

lilith, lorelei, lulu, lola, lolita: Frauenfiguren mit dem Doppel-l


Loreley


das Vorbild aus sumerischer Zeit 
und aus jüdischer Überlieferung 
(Adams erste Frau)


Symbolfigur der Emanzipation und der Ambivalenz der Seele

die Sirenen
das homerische Vorbild




Loreley, Lore Lay, Lureley, Lorelei etc.





Drama von Frank Wedekind




Trailer einer Inszenierung des Nationaltheaters Mannheim 2010
Trailer Theater Chemnitz (2013)
Trailer einer Verfilmung von Uwe Janson (2006)





Liedtext aus  ›Der blaue Engel‹ (1930), einer Verfilmung von Heinrich Manns Romans ›Professor Unrat‹ (1904), gesungen von Marlene Dietrich, auch hier

Regie: Josef von Sternberg




Lolita
Roman von Vladimir Nabokov (1955)
Trailer der Verfilmung von Adrian Lyne (1997)
Trailer der Verfilmung von Stanley Kubrick (1962), auch hier und hier (nette Bearbeitung)

Dienstag, 16. Dezember 2014

Leseliste der F3C und Beispiele aus den letzten Jahren (Gymnasium)

Listen aus den letzten Jahren

Leseliste der F3C (wird laufend aktualisiert)


Formatierung:
Jahreszahl der Ersterscheinung
chronologisch geordnet
Klassenlektüre unterstreichen
Stücke kursiv 


Fabienne Fux
Freitod
Goethe: Die Leiden des jungen Werther (1774)
E.T.A. Hoffmann: Der Sandmann (1817)
Peter Handke : Wunschloses Unglück (1972)
Kleist: Das Erdbeben in Chili (1807) / Die Marquise von O... (1808) / Die Verlobung in St. Domingo (1811)
E.T.A. Hoffmann: Nussknacker und Mäusekönig (1816)
Jenny Erpenbeck: Wörterbuch (2005)
Janine
Melancholie Weltschmerz Depression:
Max Frisch: Stiller (1954)                                                  
Georg Büchner: Lenz (1835)                                      
Sibylle Berg: Der Mann schläft (2009)                                
Kampf um die eigene Würde:
Heinrich von Kleist: Die Marquise von O… (1808)
Hans Fallada: Kleiner Mann – was nun? (1932)         
Femme Fatale:
Heinrich von Kleist: Das Käthchen von Heilbronn (1808)
Ylenia
Jana Giger
Melancholie Weltschmerz Depression
Johann Wolfgang Goethe: Die Leiden des jungen Werther (1774)
Hermann Hesse: Peter Camenzind (1904)
Sarah Kuttner: Mängelexemplar (2009)
Georg Büchner: Woyzeck (1836)
Thomas Mann: Tod in Venedig (1912)
Bernhard Schlink: Der Vorleser (1995)
Myriam Kollmann
Juli Zeh
Spieltrieb (2004)
Nullzeit (2012)
Corpus Delicti (2009)
Georg Büchner: Woyzeck (1836)
Jelinek: Die Klavierspielerin (1983)
Judith Schalansky: Der Hals der Giraffe (2011)
Anja
Lisa
Dystopie
Franz Hohler: Die Rückeroberung (1982)
Juli Zeh: Corpus Delicti (2009)
Sybille Berg: Vielen Dank für das Leben (2012)

Johann Wolfgang Goethe: Die Leiden des jungen Werthers (1774)
Georg Büchner: Lenz (1839)
Sibylle Berg: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot (1997)
aleksandra Lopatko
Liebesverrat
Hauptmann: Bahnwärter Thiel (1887)
Frisch: Stiller (1954)
Zeh: Nullzeit (2012)
Hesse: Siddharta (1922)
Handke: Wunschloses Unglück (1972)
Youdon Memmishofer
Melancholie Weltschmerz Depression
Johann Wolfgang Goethe: Die Leiden des jungen Werther (1774)
Erich Kästner: Fabian (1931)
Sibylle Berg: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot (1997)
Wilhelm Genazino: Ein Regenschirm für diesen Tag (2001)
Georg Büchner: Woyzeck (1836)
Henrik Ibsen: Nora (1879)
Evelyn
Familienkrise
Kleist: Die Marquise von O...(1808)
Max Frisch: Homo Faber (1957)
Jenny Erpenbeck: Wörterbuch (2005)
Hermann Hesse: Demian (1919)
Lukas Bärfuss: Hundert Tage (2008)
Christop Steier: Tauchertage (2008)
Joëlle Schmied
Juli Zeh: Corpus Delicti
Die Verwandlung (1915)
Heinrich von Kleist: Michael Kohlhaas
Friedrich Dürrenmatt: Die Physiker
Franz Kafka: Das Urteil
Max Frisch: Die Chinesische Mauer
Sarah Palm
Kafka
Die Verwandlung (1915)
Brief an den Vater (1919)
Ein Hungerkünstler (1922) / Das Urteil (1913) / In der Strafkolonie (1919)
Schiller: Kabale und Liebe (1784)
Hebbel: Maria Magdalene (1844)
Kehlmann: Die Vermessung der Welt (2005)
Aline Schweizer
Rebell
Heinrich von Kleist: Michael Kohlhaas (1808)

Franz Kafka: Die Verwandlung (1912)
Monika Maron: Flugasche (1979)
Goethe: Die Leiden des jungen Werthers (1774)
Jenny Erpenbeck: Wörterbuch (2005)

Max Frisch: Homo faber (1957)
Larissa
Annika
Theodor Fontane
Der Schach von Wuthenow (1882/83)
Effi Briest (1892)
Goethe: Die Leiden des jungen Werthers (1774)
Kleist: Das Erdbeben in Chili (1807) / Die Marquise von O... (1808) / Die Verlobung in St.  Domingo  (1811)
Jenny Erpenbeck: Wörterbuch (2004)
[…]
Adriana Zivkovic
Familiendesaster
Kleist: Die Marquise von O. (1808) / die Verlobung in St.Domingo (1811)
Max Frisch: Homo Faber (1957)
Jenny Erpenbeck: Wörterbuch (2005)
Friedrich Dürrenmatt: Die Physiker ( 1961/62)
Bernhard Schlink: Der Vorleser (1995)
Juli Zeh: Corpus Delicti (2009)
Muriel Zweifel
Sonderlinge
Georg Büchner: Lenz (1839)                                   
Hermann Hesse: Demian (1919)
Günter Grass: Die Blechtrommel (1959)
Heinrich Böll: Das Vermächtnis (1982)
Sibylle Berg: Vielen Dank für das Leben (2012)
evtl. Hans Fallada: Jeder stirbt für sich allein (1947)