Auf S. 373 bezieht sich Ada gegenüber ihrer Mutter auf ein Gleichnis aus Nietzsches ›Also sprach Zarathustra‹ (1884). Darin beschreibt der Prophet Zarathustra die einzelnen Stationen, die der menschliche Geist auf dem Weg zur Erkenntnis oder zur Weisheit durchläuft bzw. idealerweise durchlaufen sollte.
»Drei
Verwandlungen nenne ich euch des Geistes: wie der Geist zum Kamele wird, und
zum Löwen das Kamel, und zum Kinde zuletzt der Löwe.
Vieles
Schwere gibt es dem Geiste, dem starken, tragsamen Geiste, dem Ehrfurcht innewohnt:
nach dem Schweren und Schwersten verlangt seine Stärke.
Was ist
schwer? so fragt der tragsame Geist, so kniet er nieder, dem Kamele gleich, und
will gut beladen sein.
Was ist
das Schwerste, ihr Helden? so fragt der tragsame Geist, dass ich es auf mich
nehme und meiner Stärke froh werde.
Ist es
nicht das: sich erniedrigen, um seinem Hochmut wehe zu tun? Seine Torheit
leuchten lassen, um seiner Weisheit zu spotten?
Oder ist
es das: von unserer Sache scheiden, wenn sie ihren Sieg feiert? Auf hohe Berge
steigen, um den Versucher zu versuchen?
Oder ist
es das: sich von Eicheln und Gras der Erkenntnis nähren und um der Wahrheit willen
an der Seele Hunger leiden?
Oder ist
es das: krank sein und die Tröster heimschicken und mit Tauben Freundschaft
schließen, die niemals hören, was du willst?
Oder ist
es das: in schmutziges Wasser steigen, wenn es das Wasser der Wahrheit ist, und
kalte Frösche und heiße Kröten nicht von sich weisen?
Oder ist
es das: Die lieben, die uns verachten, und dem Gespenste die Hand reichen, wenn
es uns fürchten machen will?
Alles dies
Schwerste nimmt der tragsame Geist auf sich: dem Kamele gleich, das beladen in
die Wüste eilt, also eilt er in seine Wüste.
Aber in
der einsamsten Wüste geschieht die zweite Verwandlung: zum Löwen wird hier der
Geist, Freiheit will er sich erbeuten und Herr sein in seiner eignen Wüste.
Seinen
letzten Herrn sucht er sich hier: feind will er ihm werden und seinem letzten
Gotte, um Sieg will er mit dem großen Drachen ringen.
Welches
ist der große Drache, den der Geist nicht mehr Herr und Gott heißen mag?
»Du-sollst« heißt der große Drache. Aber der Geist des Löwen sagt »Ich will«.
»Du-sollst«
liegt ihm am Wege, goldfunkelnd, ein Schuppentier, und auf jeder Schuppe glänzt
golden »Du-sollst!«
Tausendjährige
Werte glänzen an diesen Schuppen, und also spricht der mächtigste aller Drachen
»aller Werth der Dinge - der glänzt an mir.«
»Aller
Werth ward schon geschaffen, und aller geschaffene Werth - das bin ich.
Wahrlich, es soll kein »Ich will« mehr geben!« Also spricht der Drache.
Meine
Brüder, wozu bedarf es des Löwen im Geiste? Was genügt nicht das lastbare Tier,
das entsagt und ehrfürchtig ist?
Neue Werte
schaffen - das vermag auch der Löwe noch nicht: aber Freiheit sich schaffen zu
neuem Schaffen - das vermag die Macht des Löwen.
Freiheit
sich schaffen und ein heiliges Nein auch vor der Pflicht: dazu, meine Brüder bedarf
es des Löwen.
Recht sich
nehmen zu neuen Werten - das ist das furchtbarste Nehmen für einen tragsamen
und ehrfürchtigen Geist. Wahrlich, ein Rauben ist es ihm und eines raubenden
Tieres Sache.
Als sein
Heiligstes liebte er einst das »Du-sollst«: nun muss er Wahn und Willkür auch
noch im Heiligsten finden, dass er sich Freiheit raube von seiner Liebe: des Löwen
bedarf es zu diesem Raube.
Aber sagt,
meine Brüder, was vermag noch das Kind, das auch der Löwe nicht vermochte? Was
muss der raubende Löwe auch noch zum Kinde werden?
Unschuld
ist das Kind und Vergessen, ein Neubeginnen, ein Spiel, ein aus sich rollendes
Rad, eine erste Bewegung, ein heiliges Ja-sagen.
Ja, zum
Spiele des Schaffens, meine Brüder, bedarf es eines heiligen Ja-sagens: seinen
Willen will nun der Geist, seine Welt gewinnt sich der Weltverlorene.
Drei
Verwandlungen nannte ich euch des Geistes: wie der Geist zum Kamele ward, und
zum Löwen das Kamel, und der Löwe zuletzt zum Kinde. --
Also
sprach Zarathustra. […]«
Eine vertiefende Auseinandersetzung mit Zarathustras Gleichnis finden Sie
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