Montag, 4. November 2013

Hamlets berühmter Monolog zum Thema Suizid




»Sein, oder nicht sein; das ist die Frage:
Ob’s mehr uns adelt wohl im Geist, die Pfeile
und Schleudern wüsten Schicksals stumm zu dulden,
Oder das Schwert zu ziehn gegen ein Meer der Plagen
und im Anrennen enden: sterben … – schlafen,
Mehr nicht; und sagen, daß durch einen Schlaf
Wir’s Herzweh enden und die tausend Lebenshiebe,
Die unserm Fleisch vererbt sind: ’s ist eine Erfüllung,
Inbrünstig beizuwünschen. Sterben, schlafen,
Schlafen, womöglich träumen – ja, da hakt’s:
Denn in dem Schlaf des Tods, welch Träume kommen mögen,
Wenn man des Weltgeknäuls sich hat entfesselt,
Das gibt zu denken – das der Gesichtspunkt,
Der’s Elend derart langen Lebens macht.
Denn wer ertrüg der Mitwelt Spott und Peitsche,
Des Unterdrückers Unrecht, Hohn vom Stolzen,
Verschmähter Liebe Qual, Verzug des Rechts,
Die Dreistigkeit der Ämter, und die Tritte,
Die der Verdiente stumm vom Nichtsnutz hinnimmt,
Wenn er sich selbst quittiern könnt in den Ruhstand
Bloß mit ’nem dummen Dolch? Wer trüg sein Bündel,
Auf daß er grunzt und schwitzt im Lebensjoch,
Wär’s nicht, daß Furcht vor etwas nach dem Tod,
Das unentdeckte Land, aus dessen Gauen
Kein Wandrer wiederkehrt, den Willen lähmt,
Und uns die Übel, die wir haben, lieber tragen
Läßt, eh wir hin zu unbekannten fliehn?
So macht Bewußtsein Memmen aus uns allen,
So wird die angeborne Farbe der Entschlußkraft
Siech überkränkelt von Gedankens Blässe,
Und Unterfangen großen Wurfs und Werts
Kehrn dieses Grunds halb ihre Schwungkraft seitwärts, und
Verlieren so den Namen ›Tat‹.«

Hamlet, III,1 (Übersetzung: Frank Günther)




von William Shakespeare
1603 erschienen  
Zweisprachige Ausgabe. 

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