Freitag, 23. Mai 2014

Fragen zu einzelnen Textstellen, teilweise beantwortet




S. 57: »Niemand weiß, wie oft er im Jahr, in der Woche oder gar in der Stunde Zeuge von Vorgängen wird, die eine Vorbereitung, ein Nachspiel oder einen kleinen Ausschnitt eines Ereignisses darstellen, das schrecklich, vielleicht sogar tödlich enden mag, dessen Einzelteile aber für sich genommen nicht das geringste zu sagen haben. Unsere Unfähigkeit, solche Fragmente zu deuten, schützt uns vor Schuld.« (Anja)
Eine schöne Stelle um sie in der Klasse zu diskutieren.


S. 51f.: »Teuter war nicht Saddam Hussein. Wo blieb der Stolz einer jahrhundertealten romantischen Tradition? Was hätten Mickiewicz, Slowacki und Zbigniew zu seiner Niederlage gesagt? Sie hätten gesagt, dass es unhöflich ist, ein junges Mädchen nicht nach seinem Namen zu fragen.« (Anja)
Smutek ist mit den Gedanken noch beim unschönen Ausklang seines Gesprächs mit dem Schulleiter Teuter (50), der ihn seine Abneigung spüren lässt und abfällig auf Smuteks polnische Herkunft angespielt hat.
Smutek führt eine Art Zwiegespräch mit sich selbst und macht sich Vorwürfe: er wirft sich vor, Teuter gegenüber nicht zu seiner politischen Gesinnung zu stehen (Teuter ist CDU-Wähler, Smutek hingegen freut über den Wahlsieg der SPD/Grünen bei der gerade über die Bühne gegangenen Bundestagswahl 2003).
Der eingewanderte Smutek (als Vertreter einer polnischen Minderheit in Deutschland) bezichtigt sich einer duckmäuserischen Haltung gegenüber jemandem, der in einer übergeordneten Position ist (Teuter), resp. dem Vertreter der großen (nichtpolnischen) Mehrheit. Diese Haltung von sich selbst klassifiziert er als typisch polnisch und lehnt sie ab. Polen war zu Zeiten des Kalten Kriegs (»Warschauer Pakt«), aber auch die Jahrhunderte zuvor stets von zwei Großmächten eingeklemmt und war oft von dem einen oder anderen oder beiden besetzt.
Smutek verdächtigt sich also selbstkritisch und überspitzt, die (vermeintlich) typisch polnische Mentalität eines Menschen zu vertreten, der selbst dann, wenn er Oberwasser hat (seine Sportgruppenidee wird von Teuter unterstützt) noch unterwürfig ist.
Er ruft sich in Erinnerung, dass man einen Teuter gegenüber selbstbewusster auftreten könnte oder sollte, da er kein mächtiger Herrscher ist wie beispielsweise Saddam Hussein – der Vergleich ist lustig, weil er so schief ist. Außerdem besinnt sich Smutek auf drei polnische Dichter aus der Epoche der Romantik (ca. 1800-1840), die er mag und zitiert; sie gelten als Vertreter der polnischen Freiheitsbewegung und stehen für eine stolze Haltung, also einer Haltung, der sein eigenes Verhalten gerade nicht entspricht.
Zuletzt wird Smuteks Selbstvorwurf ironisiert und lächerlich gemacht, indem statt des zu erwartenden Vorwurfs an ihn ein anderer genannt wird: er habe vergessen, Ada nach dem zu fragen, ein Regelverstoß auf einer ungleich harmloseren Ebene (aber dennoch lebensnah).

S. 96: »Die Sonne stieg und sank auf Polnisch« (Anja)
Wie im vorherigen Kommentar angesprochen, verknüpft man Polens Geschichte mit viel Unterdrückung und Leid. Die Personifikation der Sonne mit Klischees von der polnischen Mentalität ist hier wohl Ausdruck von Smuteks Projektion. Seine Heimatliebe und seine Sehnsucht nach einem beschaulichen Leben in Polen ist ein wichtiger Bestandteil seiner Figur – mitunter weil seine Frau die alte Heimat ablehnt.

Seite 179: Warum will ein Vater seinem Sohn überhaupt so etwas beibringen? (Sarah)
Gegenfrage: Warum nicht? Wie alle Eltern will er ihm die eigenen Überzeugungen weitergeben, in der Annahme, dass sie wichtig und richtig sind.

Was haben die beiden Gedichte S. 166 und 185 jeweils mit der Situation zu tun? Und was miteinander? (Aline)

Alev sagt S. 214f.: »In den letzten Wochen haben Sie sich sehr über dieses Mädchen gewundert […] Niemand wird mit ihr fertig. Auch sie ist ein Teil der aktuellen Fassung vom Göttlichen und Teuflischen. Nicht wahr, Ada?« (Joëlle)


S. 145, der letzte Satz: Wieso weiß Ada nun den Grund, weshalb Alev sie auf das Internatstockwerk nahm? (Aline)
Sie hat Alev in der ›Amerika-Debatte‹ (vgl. das darauffolgende Kapitel)  Eindruck gemacht, u.a. weil ihre provokativen Thesen die Runde bis ins Lehrerzimmer machten.

Überfordert Ada Smutek? Es heißt S. 92: »Smutek zwang sich zurück in seichteres Fahrwasser…« (Annika)

Weshalb prophezeit Alev eine zukünftige »Zusammenarbeit« zwischen Ada und Smutek? (278f.) Sie werden nach diesem Spiel wohl kaum noch etwas miteinander zu tun haben? (Evelyn)
1. Alev spricht ja noch nicht von dem ›Spiel‹ mit Smutek, sondern äußert eine Hypothese innerhalb des Gefangenenbeispiels, es geht um mögliche »iterative Entscheidungen«.
2. Ada und Alev sind ja ein Team, es fegt also nicht um Ada alleine gegen Smutek.

279: die Stelle mit dem »Nullsummenspiel« (Aleksandra, Youdon, Janine)
was genau ist hier die Frage?

»Was außerhalb des Raums liegt, befindet sich außerhalb der Zeit, womit wir beiläufig herausgefunden haben, was die unsterbliche Seele ist.« (S. 303)
Wo ist »außerhalb des Raums«? Wo ist »außerhalb der Zeit«? Gibt es überhaupt Zeit? (Jana)

S. 32f.: »Den Ersten Weltkrieg stellte Ada sich […] Dostojewski, Balzac oder Mann.« (Anja)

S. 42f.: »Die Schützengräben im Lehrerzimmer vertieften sich, die jüngeren Klassen spielten George Bush und Bin Laden anstelle von Räuber und Gendarm, und auf dem Schulhof stritt die als unpolitisch verschriene Jugend über den Zustand der Welt.« (Anja)

S. 68: »Wie schön es sein konnte, etwas Angenehmes zu vergessen, wenn es einem im rechten Moment wieder einfiel!« (Anja)


S. 92: »Blauhelm-Mission« (Anja)
Die Uniformen der Friedenstruppen der Vereinten Nationen (UNO) sind blau, ihre Einsätze ist immer wieder Gegenstand von Streitigkeiten, z.B. weil die Soldaten zwar Schutz gewähren sollen, aber gleichzeitig nicht in jedem Fall diesen Schutz mit der Waffe verteidigen dürfen (Beispiel aus dem Jugoslawienkrieg).

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen